Europas nördliches Ende: Nordkap und Hammerfest

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Hammerfest - Hafen

Wer schon immer mal am nördlichsten Punkt des europäischen Festlandes stehen wollte, ist am Nordkap ziemlich falsch. Denn weder ist es der nördlichste Punkt noch des europäischen Festlands. Das Nordkap liegt nämlich auf der Insel Magerøya, die über den 7 km langen Nordkaptunnel mit dem norwegischen Festland verbunden ist. Und selbst auf Magerøya ist es nicht der nördlichste Punkt, die benachbarte Landzunge Knivskjellodden ragt 1,4 km weiter ins Meer hinein.

Berühmtheit erlangte das Nordkap jedoch wegen seiner 300 Meter steil ins Meer stürzenden Klippe und des geschickten Marketings der Betreibergesellschaft. Sucht man nach einem zutreffenden Titel, so ist es “der nördlichste Punkt Europas, der auf Straßen vom europäischen Festland erreicht werden kann”. Immerhin.

Auf unserer Nordeuropa-Kreuzfahrt stehen also als nächstes das Nordkap und Hammerfest auf dem Programm.

Das Nordkap: Wie Sie sehen, sehen Sie nichts

Nach unserem fantastischen Tag auf Spitzbergen steht heute Abend also der Hafen von Honningsvåg auf dem Plan. Dieses kleine Fischerdorf ist das Verwaltungszentrum der Insel Magerøya und hat als einziges einen Hafen, der groß genug für ein Kreuzfahrtschiff ist. Von dort sind es etwa 45 Minuten Fahrt zum Nordkap.

Gegen 19:30 Uhr sollte laut morgendlicher Durchsage des Kapitäns das Nordkap voraus in Sichtweite des Schiffs kommen. Wir bringen uns also in Position und sehen vor allem eins: dichten Nebel. Dieser zieht sich durch, bis wir um 23:00 in Honningsvåg anlegen. Um 00:00 Uhr starten die Busse und unsere Busfahrerin schlängelt sich im Schneckentempo durch die dichte Suppe die kurvige Bergstraße hoch zum Nordkap.

Honningsvåg - Anfahrt
Honningsvåg – Anfahrt

Auf dem Parkplatz angekommen, sehen wir vor uns schemenhaft die Umrisse der Nordkap-Halle, dem Touristenzentrum auf dem Nordkapfelsen. Wir treten hindurch auf die Aussichtsplattform und sehen weiterhin: nichts. Dichter Nebel versperrt die Sicht in alle Richtungen und dämpft so stark, dass wir nicht einmal das Meer rauschen hören, das sich irgendwo vor uns befinden sollte. Auch die Mitternachtssonne, die man von hier ganz fantastisch beobachten könnte, ist nirgends zu sehen. Wir machen das beste daraus und schauen uns trotzdem die berühmte Weltkugel an, die hier steht. Den Hintergrund muss man sich eben einfach dazu denken. Zwischendurch schimmert einmal kurz ein Ansatz von Licht durch die Wolken, dieser verschwindet jedoch sehr schnell wieder.

In der Nordkap-Halle gibt es noch eine kleine Ausstellung und einen sehr schön gemachten Panoramafilm über das Nordkap im Wechsel der Jahreszeiten. Gegen 02:15 Uhr fahren wir wieder zurück zum Hafen und sehen unterwegs noch ein paar Rentiere. In der letzten Bucht, die wir auf dem Weg zum Hafen passieren, kommt plötzlich noch einmal Bewegung in den Bus: In der Ferne tauchen ein paar Schweinswale auf, die hier nach Nahrung suchen. Allerdings verschwinden sie auch genau so schnell wieder, sodass wir nur einen kurzen Blick erhaschen können.

Nordkap - Rentiere
Nordkap – Rentiere

In den tieferen Lagen rund um den Schiffsanleger klart es dann sogar noch kurz auf, sodass wir wenigstens ein bisschen in das Gefühl der Mitternachtssonne kommen. An Deck gibt es noch Gulaschsuppe und Glühwein, bevor wir um 04:00 Uhr in Richtung Hammerfest ablegen.

Hammerfest: Die (einstmals) nördlichste Stadt der Welt

Es scheint, als bräuchte jeder Ort nördlich des Polarkreises irgendeinen Superlativ. Das nördlichste dies, das nördlichste jenes der Welt/Europas/Nordeuropas, etc. Dies gilt auch für Hammerfest. Bereits 1789 wurde dem Ort das Stadtrecht verliehen und so war Hammerfest lange die nördlichste Stadt der Welt. Heutzutage gibt es freilich mehrere Städte, die nördlicher liegen, z.B. in Alaska oder auch Honningsvåg am nur gut 200 km entfernten Nordkap. Dennoch nutzt Hammerfest immer noch gerne diesen Titel. Mit etwa 10.000 Einwohnern ist die Stadt auch heute noch überschaubar groß.

Hammerfest - Bucht
Hammerfest – Bucht

Überhaupt übertreiben die Hammerfester gerne ein wenig. Das Wappentier der Stadt ist der Eisbär, den es jedoch so weit südlich überhaupt nicht gibt. Dennoch schmückt er hier zahlreiche Gebäude und Parks.

Wir starten mit einer kurzen Erkundung des kleinen Stadtzentrums. Dieses ist noch recht jung. Wie auch zahlreiche andere nordnorwegische Städte wurde Hammerfest beim Rückzug der deutschen Wehrmacht kurz vor Ende des 2. Weltkriegs komplett niedergebrannt, um dem Feind keine wertvollen Güter zu hinterlassen. Das einzige Gebäude das überlebte, war die kleine Kirche. Der damalige Kommandant war ein frommer Mann und brachte es nicht übers Herz, die Kirche anzuzünden. Mit allem anderen hatte er aber offenbar kein Problem, sodass die Stadt 1944 dem Erdboden gleichgemacht wurde. Bereits kurz nach Kriegsende kehrten die Bewohner aber schon zurück und begannen mit dem Wiederaufbau, an den heute noch das Wiederaufbaumuseum (Gjenreisningsmuseum) erinnert.

Hammerfest - Alte Kirche
Hammerfest – Alte Kirche

Gleich neben der neuen Kirche zeigt sich dann auf recht amüsante Weise, dass auch norwegisch eine germanische Sprache ist, sich jedoch die Bedeutung mancher Wörter anders als im Deutschen entwickelt hat. Wie sonst wäre es zu erklären, dass im Kirchenparkhaus eine nicht unerhebliche Anzahl an Heiratswilligen auf einen passenden Partner wartet? ;-)

Hammerfest - "Heiratsvermittlung"
Hammerfest – „Heiratsvermittlung“

Wieder zurück am Rathausplatz erklimmen wir über den zikk-zakk veien (“Zick-zack-Weg”) den Hausberg Salen, von dem aus wir eine wunderbare Aussicht über die Stadt und die Bucht haben. Von hier wandern wir, vorbei an einem dort ausgestellten Sami-Camp, noch ein bisschen durch die schöne Landschaft. Über den Gammelveien (“Alter Weg”) kehren wir entlang der Bergrückseite wieder ins Stadtzentrum zurück.

In der Touristinformation am Hafen wartet dann noch die wohl bekannteste “Sehenswürdigkeit” auf uns. Hier hat der altehrwürdige Eisbärenclub seinen Sitz. Dieser etwas skurrile Verein wurde 1963 gegründet und hat es sich zur Aufgabe gesetzt, ein kleines Museum aufzubauen. Dieses zeigt die Rolle Hammerfests in der Geschichte der Eisbärenjäger und Entdecker, die von hier gen Norden aufbrachen. Gegen einen einmaligen Unterstützungsbeitrag von 200 Norwegischen Kronen (NOK, ~ 21 EUR) kann man – persönliche Anwesenheit vor Ort vorausgesetzt – Vereinsmitglied auf Lebenszeit werden. Dies wird mit einer Urkunde und einem Anstecker in Eisbärenform bestätigt. Etwas über 250.000 Mitglieder hat der Club mittlerweile weltweit. Irgendwie kann ich mich dem Massenphänomen dann doch nicht erwehren und werde ebenfalls Mitglied, sodass ich ab sofort einmal im Jahr eine Einladung zur Jahreshauptversammlung am 3. Sonntag im Januar erhalten werde. :-)

Wir machen uns auf den Rückweg zum Schiff und schauen im Hafen noch kurz bei der Meridiansäule vorbei. Dieses Denkmal erinnert an den Astronomen Wilhelm von Struve. Er wollte beweisen, dass die Erde an den Polen abgeplattet ist und musste dazu umfangreiche Messungen des Erdumfangs vornehmen. Der sogenannte Struve-Bogen erstreckte sich genau von hier in Hammerfest bis in die Südukraine und trug maßgeblich zum heutigen Bild bei, das wir von unserem Planeten haben. Mir waren die Erklärungen dazu ein bisschen zu hoch, wen es genauer interessiert, der findet bei Wikipedia eine ausführliche Erläuterung.

Hammerfest - Meridiansäule
Hammerfest – Meridiansäule

Die letzte Stunde in Hammerfest nutze ich im nahegelegenen Gratis-WLAN und stelle die Blogbeiträge über Island fertig, bevor wir unsere Reise in Richtung Süden fortsetzen. Morgen werden wir in Tromsø erwartet, der größten Stadt in Nordnorwegen. Zunächst blicken wir jedoch auf einen schönen Tag in Hammerfest zurück und sind gespannt, was uns hier oben im hohen Norden noch alles erwartet.

Hammerfest - Bucht
Hammerfest – Bucht
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