Reykjavik und der Golden Circle: Feuer, Eis, Naturgewalten

Island - Thingvellir

Ein lautes Grollen ertönt aus dem Berg. Rauch steigt auf, die Erde beginnt zu zittern. Mit einem ohrenbetäubenden Knall zerfetzt eine Explosion die Bergkuppe und eine kilometerhohe Aschewolke schießt in den Himmel. Flüssige, glühende Lava bahnt sich Ihren Weg über die Berghänge. Die Magmakammer unter dem Berg leert sich rapide und das Beben wird immer stärker. Schließlich gibt der unterirdische Hohlraum nach und die ganze umliegende Hochebene sackt 60 Meter in die Tiefe.

So oder so ähnlich muss sich das Inferno hier vor ca. 9.000 Jahren abgespielt haben. Wir befinden uns im fantastischen Thingvellir-Nationalpark (isländisch: Þingvellír), ca. 50 km östlich von Reykjavik. Hier, am mittelatlantischen Rücken, bewegen sich zwei Kontinentalplatten auseinander. Zu unserer Linken liegt die amerikanische Platte, zu unserer rechten die eurasische. Dadurch gehört diese Region zu den vulkanisch aktivsten unseres Planeten. Mittendrin stehen wir und sind sehr beeindruckt von der Gewalt der Natur, die auch heute noch dafür sorgt, dass Island hier jedes Jahr um ca. 2 cm breiter wird.

Reykjavik ist die zweite Station unserer Nordatlantikkreuzfahrt. Neben ihrem sehenswerten Stadtzentrum ist die isländische Hauptstadt auch Ausgangspunkt für eine Fahrt entlang des Golden Circle, an dem sich mehrere sehr interessante Naturspektakel befinden.

Reykjaviks Zentrum

Die nördlichste Hauptstadt der Welt hat, den Ballungsraum eingerechnet, gerade einmal knapp 200.000 Einwohner. Dennoch sind das rund 2/3 der Bevölkerung Islands. Auf der ganzen Insel, die etwa so groß ist wie Bayern und Baden-Württemberg zusammen, leben also in etwa so viele Menschen wie in Mannheim. Dies macht Island zum am dünnsten besiedelten Land in Europa.

Das kleine Zentrum von Reykjavik ist geprägt von den typisch nordischen Holz- und Wellblechhäusern, die in bunten Farben angestrichen sind. Wir schlendern ein wenig entlang der Hauptachse Austurstræti/Bankastræti/Laugavegur bis zum kleinen See Tjörnin.

Nun folgen wir der Hauptstraße in die andere Richtung und biegen nach einiger Zeit halb rechts ab, um den Hügel zur Hallgrímskirche zu erklimmen. Diese etwas eigenwillige Betonkonstruktion ist zwar nicht unbedingt schön, aber dennoch interessant. Gegen eine Gebühr könnte man auf den Turm hochfahren. Nachdem wir später noch zu einem Aussichtspunkt kommen, lassen wir das jedoch aus.

Reykjavik - Hallgrimskirche
Reykjavik – Hallgrimskirche

Da gerade Messe ist, dürfen wir auch nicht in die Kirche hinein, deswegen machen wir uns über kleine Seitengässchen auf den Weg zurück zum Ufer.

Dort können wir noch einen kurzen Blick auf Islands modernes Konzerthaus Harpa (“Harfe”) werfen, bevor wir uns mit dem Shuttlebus zurück zum Schiff begeben, da von dort unser Ausflug zum Golden Circle startet.

Reykjavik - Harpa
Reykjavik – Harpa

Eine Perle und Sommerhäuser im Lavafeld

Unser erster Halt ist Perlan (“die Perle”), ein Heißwasserreservoir hoch über der Stadt, von dessen Aussichtsplattform wir einen wunderbaren Rundblick über die umgebende Landschaft haben. Im Gegensatz zu uns haben die Isländer ein ganz anderes Problem: Aus den heißen Quellen, die es überall im Land gibt, sprudelt das Wasser mit einer Temperatur von bis zu 100° C heraus. Bevor es in die Haushalte verteilt werden kann, muss es also erst heruntergekühlt werden. Das geschieht hier und so stehen wir also buchstäblich auf 20 Millionen Litern kochendem Wasser.

Übersetzt heißt Reykjavik “die rauchende Bucht”. Dass dieser Name Programm ist, zeigt sich auf der nun folgenden Fahrt durch die sehr beeindruckende Landschaft. Wo immer wir hinschauen, irgendwo dampft es immer aus irgendeinem Loch. Da die heißen Quellen manchmal auch wandern, kann dies zu unangenehmen Nebeneffekten führen. In einem kleinen Dörfchen kam bei einigen Bewohnern der Häuser in der Stadtmitte plötzlich kochendes Wasser aus dem Wohnzimmerboden. Die Häuser mussten evakuiert werden und heute markiert eine weiße Rauchsäule das Stadtzentrum. Ein mysteriöses Waldsterben im Umland des Dorfes konnte nach einiger Zeit auf ähnliche Weise erklärt werden: Heiße Quellen waren gewandert und hatten die Wurzeln der Bäume schlicht zerkocht, woraufhin diese abstarben.

Wo wir hinsehen finden wir außerdem Lavafelder. Die meisten von ihnen sind mehrere tausend Jahre alt und werden langsam von Moos überwuchert, aber auch heute noch kommt es immer wieder zu kleineren und größeren Eruptionen, die ganze Landstriche verwüsten. Einer der bekannteren “Übeltäter” erhebt sich nach einiger Zeit vor uns in der Ferne: der Eyjafjallajökull (“Inselberggletscher”), der 2010 den europäischen Flugverkehr zum Erliegen brachte. Von hier sieht er eigentlich ganz friedlich aus, genauso wie die benachbarte Hekla, Islands gefürchtetster Vulkan. Von dessen Besteigung wird aktuell dringend abgeraten, da er bereits mehrere Jahre überfällig ist und die Geologen jederzeit mit einem Ausbruch rechnen.

Völlig unbeeindruckt von der drohenden Gefahr nutzen die Isländer das saftige Grün der moosbedeckten Lavafelder und bauen dort ihre Sommerhäuser. Jeder Inselbewohner, der etwas auf sich hält, besitzt zumindest eine kleine Hütte im Grünen und verbringt die langen Sommertage hier in der Natur.

Island - Sommerhaus
Island – Sommerhaus

Gullfoss – Der goldene Wasserfall

Nach etwa 1:45 h Fahrt durch die atemberaubende Natur Islands erreichen wir unseren nächsten Stopp, den Gullfoss. Woher der Name kommt ist nicht geklärt, beeindruckend ist er aber allemal. Nachdem sich das Wasser zunächst über mehrere Kaskaden 12 Meter nach unten arbeitet, stürzt es anschließend noch einmal 20 Meter in die Tiefe und fließt dann seitlich durch eine Schlucht ab. Eingerahmt von der zerklüfteten Landschaft gibt der Wasserfall ein tolles Bild ab, ehrfürchtig sehen wir dem Schauspiel eine Zeit lang zu, bevor die Reise weitergeht.

Geysir – Der Name ist Programm

Eine Viertelstunde vom Gullfoss entfernt wartet Geysir auf uns. Der Name des Naturparks lässt schon erahnen, was uns hier erwartet. An dieser Stelle gibt es mehrere heiße Quellen, die besonders aktiv sind. Im Wasser gelöste Mineralien lassen die Tümpel in einem strahlenden Blau leuchten. Einer der Tümpel umschließt eine tiefe Gesteinsröhre, die langsam mit Wasser vollläuft. Da es am unteren Ende sehr heiß ist, beginnt das Wasser zu kochen und verdampft anschließend schlagartig. Das Gas will nach oben und reißt das darüberliegende Wasser mit sich. So schießt aus dem Strokkur (“Butterfass”) alle 6-8 Minuten eine 30-40 Meter hohe Wasserfontäne in den Himmel. Auch dieser Park ist in eine weite Landschaft eingebettet und ermöglicht uns daher tolle Blicke.

Þingvellír – Geschichtsträchtig, gefährlich und gigantisch schön

Nach weiteren 45 min Busfahrt erreichen wir unser Highlight des Ausflugs: den Thingvellir-Nationalpark. Wie schon eingangs erwähnt stehen wir hier zwischen Amerika und Europa mit einer unglaublich schönen Weitsicht. Wir stehen genau an der Kante, wo sich das Land seinerzeit abrupt abgesenkt hat und genießen den Ausblick über den See Thingvallavatn, der sich hier in der Talsenke ausgebreitet hat. Auch heute noch ist die Region in Bewegung, überall finden wir Erdspalten, Klüfte und bizarre Felsformationen. Erst vor ein paar Jahren versetzte ein Erdbeben den Graben um ein paar Zentimeter und spaltete dabei den hölzernen Besucherpfad, der in die tiefergelegenen Regionen führt.

In Thingvellir lässt es sich hervorragend wandern, allerdings wird dringend empfohlen, auf den markierten Wegen zu bleiben, da sich abseits der Pfade eine Felsspalte befinden könnte, von der bis gestern niemand wusste. Auch ist der Boden bisweilen sehr dünn und wenn man nicht aufpasst, kann man durchbrechen und plötzlich mit einem Fuß in kochendem Wasser stehen.

Trotz aller Gefahren wurde an diesem Ort auch Geschichte geschrieben. Bereits im 9. Jahrhundert versammelten sich die Wikingerstämme der Insel einmal im Jahr im Sommer hier. Im sog. Altthing wurden aktuelle Themen besprochen, Gesetze beschlossen und Häuptlinge bestimmt. Somit ist das Altthing eine der ältesten bekannten Parlamentsstrukturen der Menschheit.

Tief beeindruckt von diesem fantastischen Ort fahren wir zurück zum Schiff und genießen beim Auslaufen noch einmal den schönen Blick über Reykjavik. Obwohl noch zwei Stationen in Island folgen werden – Ísafjörður und Akureyri – hat sich der Besuch dieser besonderen Insel jetzt schon mehr als gelohnt!

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