Berlin an sich ist ja normalerweise nicht unbedingt meine Stadt. Während einer Dienstreise ist es aber natürlich trotzdem nett, den Ort zu erkunden, an dem man sich gerade befindet. Leider bleibt mir dafür jedoch oft nicht so viel Zeit, wie ich gerne hätte. Umso besser, wenn man jemanden kennt, der weiß, was wo los ist.
Im Rahmen eines Moderationstrainings war ich kürzlich für drei Tage in Berlin und netterweise hatte eine Kollegin, die in Berlin wohnt, schon vorab für uns ein Abendprogramm zusammengestellt. So setzen wir uns nach dem Training nur kurz ins Taxi und sind auch schon mitten im Geschehen.
Wir starten in Kreuzberg, einem der Szeneviertel Berlins, am Landwehrkanal, über dem gerade die Sonne untergeht. Dieser Seitenarm der Spree wird heute hauptsächlich von Ausflugsschiffen und Sportbooten genutzt und ist daher sehr ruhig und schön anzusehen.
Nach einem kurzen Spaziergang entlang des Wassers kommen wir an unserem Restaurant für heute Abend an: Das „Il Casolare“ (keine Homepage), ein hipper Italiener, der neben einer sehr großen Pizzakarte auch täglich wechselnde Speisen anbietet, die (nur auf italienisch) auf einer Kreidetafel neben der Tür vorgestellt werden. Grundsätzlich ist der Kellner gerne bereit, die Speisen zu erklären, dazu muss man es aber erst einmal schaffen, ihn zu sich an den Tisch zu holen. So versuchen wir zunächst, uns mit unseren mittelmäßigen Italienischkenntnissen selbst ein Bild zu verschaffen und finden immerhin schon mal heraus, dass es jeweils drei verschiedene Vorspeisen, Nudel- und Fleischgerichte gibt. Ich entscheide mich spontan für etwas Ausgefalleneres: Eine Pizza mit Pferdefleisch und Rucola. Dies stellt sich als gute Wahl heraus, sie schmeckt ganz vorzüglich. Auch die Gerichte der Kollegen sehen gut aus, einzig der Salat enttäuscht. Hier werden sehr lieblos Salatblätter in eine Schüssel geworfen und geviertelte Karotten und Gurken sowie ungeschnittene Radieschen dazugelegt. Dressing gibt’s auch nicht. Preislich überzeugt der Laden jedoch auf ganzer Linie, wer sich durch den Trubel und die hektischen Kellner nicht beirren lässt, bekommt hier authentische italienische Küche, die schmeckt.

Vor der Rückfahrt ins Hotel gehen wir auf Anregung eines Kollegen noch in Richtung Neukölln auf einen Absacker in die Ankerklause. In diesem Kultlokal direkt am Landwehrkanal hat er früher so manchen Abend verbracht. Die Klause bezeichnet sich selbst als „die schönste Hafenbar Berlins“, erinnert von ihrer Aufmachung her tatsächlich an ein Schiff und setzt ab 20 Uhr ganz pragmatisch auf Selbstbedienung.
Entsprechend fällt das Aufstehen am nächsten Morgen nicht ganz so leicht, es wird aber trotzdem ein erfolgreicher Trainingstag. Am frühen Abend sind wir dann bereit für eine weitere Erkundungstour. Der Weg führt uns wieder nach Kreuzberg, diesmal jedoch nördlich des Landwehrkanals. Ausgangspunkt ist die Wohnung der Kollegin, von der aus wir zunächst zur Markthalle Neun spazieren. In dieser sehr schön restaurierten Markthalle findet freitags und samstags ein Wochenmarkt statt, auf dem hauptsächlich regionale und nachhaltige Produkte angeboten werden. Wir sind jedoch donnerstags dort, das bedeutet „Street Food Thursday“. Jeden Donnerstagabend verwandelt sich die Markthalle in ein kulinarisches Sammelsurium aus aller Herren Länder. An zahlreichen kleinen Buden finden sich Köstlichkeiten von allen Kontinenten, die man zu erschwinglichen Preisen kosten kann. Die Stimmung ist angenehm locker und die vielfältigen Düfte in der Halle lassen einem das Wasser im Mund zusammenlaufen. Nachdem wir eine Weile gemütlich durch die Stände geschlendert sind wird es also höchste Zeit, uns zum heutigen Restaurant zu bewegen.

Nur wenige Meter von der Markthalle entfernt befindet sich die Long March Canteen, ein durch und durch außergewöhnliches chinesisches Restaurant. Bereits die Homepage begrüßt mich mit der Information „Bei uns gibt es kein Schweinefleisch süß-sauer, keinen Reis und auch keine roten Lampions!“ und genauso ist es. Statt der klassischen Gerichte, die man bei uns im Chinarestaurant findet, gibt es hier eine Vielzahl unterschiedlicher Dim Sum, der asiatischen Variante von Tapas. Von Ochsenbäckchen über frischen Thunfisch und Edamamebohnen mit Meersalz bis hin zu Karpfen oder Quallencarpaccio ist auch für ausgefallene Geschmäcker etwas dabei. Wem das zu exotisch ist, der findet auch eine reichhaltige Auswahl an gewohnteren Zutaten, allen voran sind hier die ausgezeichneten Frühlingsrollen mit Entrecôte zu erwähnen. Wir bestellen zu sechst zwölf verschiedene Gerichte als Vorspeise, die durchweg überzeugen. Als Hauptgericht gibt es dann viele verschiedene Jiaozi zur Auswahl. Dabei handelt es sich um gefüllte Teigtaschen, die gebraten, gedämpft oder in Suppe serviert werden. Ich entscheide mich für Baozi, eine sehr schmackhafte Kombination aus Schwein und Ingwer. Als Nachtisch gibt es dann noch gebackene Banane auf klassische Art. Bei dieser Variante wird die noch sehr heiße Banane in Eiswasser getaucht. Dadurch ist sie außen schon kühl, innen aber noch warm, wodurch sich eine sehr interessante Geschmackskombination ergibt. Auch optisch ist die Ausstattung des Lokals ein Highlight und so setzen wir uns nur schweren Herzens aber gesättigt und rundum zufrieden wieder in Bewegung.
Nach einem kurzen nächtlichen Spaziergang durch die Straßen Berlins, vorbei am schön beleuchteten Bethanien – einem ehemaligen Kranken- und heute Künstlerhaus – kommen wir auf der Oranienstraße an. Diese ist eine der zentralen Geschäfts- und Ausgehstraßen Kreuzbergs und beherbergt zahlreiche Bars, Lokale und Clubs. Schlussendlich landen wir im Würgeengel, einer Institution in Kreuzberg mit einer großen Auswahl an sehr guten Cocktails. Die Bar befindet sich in der Dresdener Straße, einer Seitengasse der Oranienstraße und wir ergattern den letzten freien Tisch. Neben den bekannten Klassikern finden sich hier auch ungewöhnlichere Drinks wie z. B. ein Ingwer Gimlet oder der London Buck (Hauptzutaten Gin und Ginger Beer). Hier lassen wir den letzten gemeinsamen Abend gemütlich ausklingen.
Fazit
Wer mich schon kennt weiß, dass ich Berlin grundsätzlich eher skeptisch gegenüberstehe. Nach mehreren Aufenthalten in der deutschen Hauptstadt konnte ich mich bis heute nicht so recht mit ihr anfreunden. Nichtsdestotrotz muss ich sagen, dass sich die Stadt diesmal wirklich in einem guten Licht gezeigt hat, was sicher auch daran lag, dass das Programm von einer Berlinerin organisiert wurde, die ihre Stadt wirklich mag. Die besuchten Lokalitäten kann ich ohne Einschränkung empfehlen und vielleicht ist Berlin doch immer eine Reise wert…
Wie siehst du das? Warst du schon in Berlin und wenn ja, wie ist dein Eindruck?
