Ísafjörður & Akureyri: Raues, schönes Nordisland

Akureyri - Landschaft

Der Wind bläst mit Stärke 8 um den Bug. Deutlich hören wir, wie die bis zu vier Meter hohen Wellen gegen den Rumpf schlagen und das ganze Schiff in Vibrationen versetzen. Die Rollbewegungen (seitliches Schwanken) haben sicherlich so manchem Passagiermagen eine unruhige Nacht beschert. Auf der Backbordseite kommt uns plötzlich die Queen Elizabeth entgegen. Dieses Kreuzfahrtschiff lag schon mit uns in Reykjavik und sollte auch heute gemeinsam mit uns in Ísafjörður Halt machen. Per Borddurchsage meldet sich der Kapitän und erklärt uns, dass die Queen Elizabeth zu groß für den Hafen dort sei. Deshalb hätte sie im Fjord ankern und die Gäste mit kleinen Tenderbooten an Land fahren müssen. Dies sei aufgrund des starken Windes jedoch zu gefährlich, weshalb der Kapitän entschieden habe, die Anfahrt abzubrechen und direkt weiter nach Akureyri zu fahren.

Auch unser Schiffsführer will noch nicht garantieren, dass es bei uns klappt. Zwar ist unser Schiff kleiner und kann sicher an der Hafenpier vertäut werden, die Hafeneinfahrt erfordert jedoch eine 180°-Wende in dem engen Fjord. Bei diesem Wetter ebenfalls eine große Herausforderung. Die Crew ist jedoch Meister ihres Fachs, nach einigen spannenden Minuten ist die Drehung geglückt und wir fahren ganz langsam rückwärts in das geschützte Hafenbecken ein.

Nach dem wunderbaren Tag in Reykjavik und Umgebung erkunden wir mit den nächsten beiden Stopps unserer Reise Nordisland abseits der Metropolregion. Hier, stellenweise nur 50 km vom Polarkreis entfernt, zeigt sich Island von einer deutlich raueren Seite. Die Natur steht klar im Vordergrund und davon bekommen wir hier wieder einiges zu sehen.

Nordisland ganz ursprünglich: Ísafjörður

Ísafjörður (“Eisfjord”) ist der Hauptort der Westfjorde. So nennen die Isländer die zerklüftete Halbinsel im Nordwesten des Landes. Mit gerade einmal knapp 3.000 Einwohnern ist das auf einer befestigten Sandbank gelegene Örtchen eher überschaubar. Vom Schiff sind es nur fünf Minuten ins Stadtzentrum, sodass wir den Tag mit einem kleinen Stadtrundgang beginnen.

Direkt beim Hafen finden wir den Nachbau eines historischen Dorfzentrums, der sehr schön zeigt, wie das Leben hier früher ausgesehen haben muss.

Nachdem wir uns ein bisschen umgesehen haben, spazieren wir gemütlich entlang der Hauptstraße Aðalstræti/Hafnarstræti durch das beschauliche Städtchen, das hauptsächlich von der Fischerei lebt. Der kleine Seitenfjord, in dem Ísafjörður liegt, ist von bis zu 1.000 m hohen Bergen gesäumt. Daher ist die Bucht recht windgeschützt und auch das Wasser ist etwas ruhiger, sodass die kleinen Fischerboote hier gut anlanden können. Die steilen Berge haben jedoch auch den Nachteil, dass im Winter häufig Lawinen auf die einzige Ausfallstraße niedergehen. So kann es schon mal vorkommen, dass die Stadt ein paar Tage lang nur auf dem Seeweg erreichbar ist.

Nach einer guten Stunde haben wir alles gesehen und kehren zurück zum Schiff, wo wir uns erst einmal bei einer Tasse Tee aufwärmen. Entgegen unserer Befürchtung findet unser nachmittäglicher Ausflug, auf den ich mich besonders freue, trotz des Wetters dann doch statt: Eine Kajaktour im Fjord.

Leider stellt sich bald heraus, dass wir nur einmal rund um das Hafenbecken paddeln werden. Auch hier haben wir zwar schöne Aussichten auf den Ort und die Landschaft und ich habe viel Spaß mit dem Kajak. Dennoch hatten wir erwartet, eher in einen unberührteren Teil des Fjords zu fahren und so sind wir am Ende dann doch ein bisschen enttäuscht. Wenigstens kämpft sich während der Tour sogar kurz die Sonne durch die Wolken und setzt  die Bucht in tolles Licht.

Alles in allem verbringen wir aber trotzdem einen schönen Tag in Ísafjörður. Am frühen Abend heißt es dann wieder: “Alle an Bord” und wir machen uns auf den Weg weiter nach Osten.

Ísafjörður - Hafenausfahrt
Ísafjörður – Hafenausfahrt

Die größte Stadt in Nordisland: Akureyri

Am nächsten Morgen kommen wir pünktlich in Akureyri an. Die mit etwa 18.000 Einwohnern größte Stadt außerhalb des Ballungsraums um Reykjavik wird auch “Perle des Nordens” genannt. Daher sehen die Nordisländer die Stadt natürlich auch als heimliche Hauptstadt an. Akureyri besteht aus zwei Stadtteilen. Das Stadtzentrum liegt im Fjord auf einer Sandbank (“eyri”), die Altstadt und die neueren Versorgungszentren befinden sich am Fjordufer auf fruchtbarem Ackerland (“akur”).

Hier starten wir den Tag mit einem Ausflug. Wir machen uns auf den Weg zum etwa 50 km außerhalb gelegenen Goðafoss (“Wasserfall der Götter”). Dieser kam zu seinem Namen, als ein Wikingerhäuptling sein Volk um das Jahr 1000 davon überzeugen wollte, zum Christentum überzutreten. Dazu beschloss er, all seine heidnischen Götterbilder und -statuen in den Wasserfall zu werfen. Sollte eine Reaktion der Götter ausbleiben, hätten diese offenbar kein Problem damit. Nichts passierte und das Volk war überzeugt, dass sie bei einem Wechsel des Glaubens keine Rache der Götter fürchten müssten.

Auch heute noch könnte man ohne weiteres Dinge in den Wasserfall werfen, es gibt kaum Absperrungen und wir können auf den Klippen sehr nah an den Fall herankommen, der hier 12 Meter in die Tiefe stürzt. Die Natur auf Island versteht es wahrlich, ihre Sehenswürdigkeiten in Szene zu setzen. Auch hier ist der Wasserfall, selbst schon beeindruckend, in eine sehr schöne Landschaft eingebettet.

Am Fuße des Wasserfalls hat sich der Fluss schon etwas tiefer in den Boden gegraben. Wir folgen dieser Schlucht eine Weile, bis uns eine Brücke zum fast schon obligatorischen Besucherzentrum führt.

Von hier fährt uns der Bus zurück nach Akureyri. Während der Fahrt erfahren wir noch einige interessante Dinge über Island. So glauben z. B. viele Isländer bis heute an Elfen und Trolle, die in großen Steinen leben. Wenn im Haus ein Gegenstand verschwindet, geht man davon aus, dass ihn sich Elfen ausgeliehen haben. Ein paar Tage später taucht er dann ja auch meistens wieder auf, die Elfen haben ihn also zurückgebracht. Auch beim Tief- und Straßenbau kann dies weitreichende Auswirkungen haben. Geht bei der Einebnung des Geländes während der Bauphase ungewöhnlich viel Werkzeug oder Material kaputt, geht man davon aus, dass die Elfen etwas gegen dieses Bauvorhaben einzuwenden haben. Deshalb gibt es gelegentlich sehr ungewöhnliche Straßenführungen, da man die Straße um einen Stein herumbauen musste.

Wieder in der Stadt angekommen, bekommen wir noch eine kleine Stadtrundfahrt. Da es zwischenzeitlich wieder regnet, mache ich keine Fotos durch die nasse Busscheibe. Es lohnt sich auch nicht wirklich. Woher der Beiname “Perle des Nordens” kommt, will sich uns nicht so recht erschließen. Zum Ende der Tour halten wir noch am nördlichsten botanischen Garten der Welt (Lystgarður), in dem trotz des subarktischen Klimas eine erstaunliche Pflanzenvielfalt gedeiht.

Danach kehren wir zurück zum Schiff, um nach einer kurzen Stärkung zu unserer Nachmittagsaktivität aufzubrechen: “Auf dem Rücken von Islandpferden”. Ja, richtig gelesen, ich habe mich tatsächlich auf ein Pferd gesetzt. Wenn ich schon mal in Island bin, will ich natürlich auch mal auf einem echten Islandpferd geritten sein. Nach einer kurzen Fahrt zum Reiterhof erhalten wir eine schnelle Einweisung und dann geht es auch schon los, wir werden nach Erfahrungslevel eingeteilt. Ich als totaler Anfänger bekomme ein Pferd namens Sylvia, das der Gruppe von selbst hinterherläuft. Zu Beginn muss ich also nicht viel selbst machen, außer mich im Sattel zu halten.

Hier reiten wir nun auf einem naturbelassenen Weg tatsächlich richtig in die Natur hinaus und schnell zeigt sich, dass wir es zumindest landschaftlich in jedem Fall mit einer Perle zu tun haben. Um uns herum tun sich wunderbare Blicke auf und der gemütliche Gang der Pferde gibt uns auch genug Zeit, uns in Ruhe umzusehen.

Dann wird die Herausforderung verschärft. Die Reitlehrerin fragt, wer gerne mal etwas schneller reiten möchte. Todesmutig und ohne zu wissen, was mich erwartet, melde ich mich auch für diese Gruppe. Wir passieren ein Gatter und dann geht es auch schon los, die Pferde beginnen zu traben. Da ich weder Ahnung habe, wie ich lenke, noch wie ich bremse, lasse ich Sylvia einfach machen und hoffe nur, dass sie mich nicht abwirft. Sie hat jedoch offensichtlich einen Hang für Geschwindigkeit und versucht immer wieder, die anderen Pferde zu überholen. Nach einiger Zeit schaffe ich es dann doch, die Geschwindigkeit selbst etwas zu regulieren und so überstehe ich dieses Abenteuer ohne größere Blessuren. Was mir leider nicht gelingt, ist der Wechsel vom Trab in den Tölt. Diesen speziellen Laufstil beherrschen nur die Islandpferde und er ist wohl deutlich ruhiger als der Trab.

Nach einer guten Stunde kommen wir wieder am Reitstall an. Auch wenn ich zwar die meiste Zeit nicht so recht wusste, was ich tue, war es doch ein tolles Erlebnis! Zufrieden und voller neuer Eindrücke kehren wir zum Schiff zurück, das kurz danach auch schon wieder ausläuft.

Nach einer knappen Stunde Fahrt überqueren wir bei 66° 33’ 55’’ nördlicher Breite den Polarkreis, die nächsten 6 Tage wird die Sonne also nicht mehr untergehen. Voller Spannung und Erwartung sehen wir unserem nächsten Ziel Spitzbergen entgegen, das nun noch 1.800 km bzw. zwei volle Seetage von uns entfernt liegt.

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