Ein Wochenende im Gesäuse: Berge, Bücher, Blumenparadies


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Ein Wochenende im Gesäuse

Wild rauscht die blaugrüne Enns vor uns dahin. Sie ist der längste vollständig in Österreich liegende Fluss. Auf ihrem Weg vom Salzburger Land bis zu ihrer Mündung in die Donau legt sie gut 250 Kilometer durch die Alpen zurück. Zwischen den beiden steirischen Gemeinden Admont und Hieflau fließt der Wildwasserfluss durch die 16 Kilometer lange und landschaftlich einzigartige Gesäuseschlucht. Was du an einem Wochenende im Gesäuse erleben kannst, erzählen wir dir in diesem Beitrag.

Der Nationalpark Gesäuse

Gemeinsam mit den umliegenden Bergen steht die Schlucht seit 2002 unter dem Schutz des Nationalparks Gesäuse. Er ist einer von insgesamt sechs Nationalparks in Österreich. Die schroffen, fast senkrecht aufragenden Berge machen die Region zu einem beliebten Ziel für Kletterer und Bergsteiger. „Wer bei uns wandern will, sollte schon eine gewisse Grundkondition mitbringen“, erzählt uns Andreas Hollinger. Er leitet die Kommunikation des Nationalparks und hat eine klare Strategie. „Wir wollen gar nicht jeden Gast. So viele Betten haben wir nicht. Unsere Zielgruppe sind Naturverbundene, die die Ursprünglichkeit suchen. Bei uns gibt’s keine Wellnesstempel oder Golfplätze. Dafür gemütliche Privatpensionen und einfache Berghütten.“ Diese Linie geht auf. Die Bettenauslastung ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Auch wir sind sehr angetan vom „Gseis“, wie die Region in Mundart heißt.

Tosender Gesäuseeingang

Der Gesäuseeingang markiert das westliche Ende des Nationalparks. Fast senkrecht ragen die Felswände des Gebirges hier empor und lassen nur einen schmalen Durchgang frei. Durch diesen zwängt sich die Enns in die Gesäuseschlucht.

Gesäuseeingang
Beeindruckende Dimensionen beim Gesäuseeingang

Unaufhörlich strömt der Fluss voran und drückt die Wassermassen durch den Engpass. Entsprechend reißend tost die Enns hier über steinige Stufen ins Tal. Das unablässige Rauschen und Sausen des Wassers gab dem Gesäuse seinen Namen.

Entspannung in der Lettmair Au

Etwa sechs Kilometer östlich des Gesäuseeingangs liegt der Weidendom. Dieses Erlebniszentrum ist der Natur gewidmet. Entspannen mit Bergblick, Mikroskopieren mit den Nationalpark-Rangern im Forschungszentrum oder einfach an der Enns entlangschlendern und die grüne Natur genießen – all das wird hier angeboten.

Weidendom, Nationalpark Gesäuse
Entspannung mit Bergblick beim Weidendom

Der Weidendom ist außerdem Ausgangspunkt verschiedener Wander- und Themenwege. Einen davon, den Themenweg Lettmair Au, sehen wir uns nun genauer an. Entlang des eineinhalb Kilometer langen Rundwegs geben mehrere Erlebnisstationen interessante Einblicke in das sensible Ökosystem der Flusslandschaften. Insbesondere für Kinder ist hier einiges geboten, um das Ennstal spielerisch zu entdecken.

Jahreszeitenfernrohr, Nationalpark Gesäuse
Das Jahreszeitenfernrohr zeigt 3D-Fotografien vom Holzsteg in verschiedenen Jahreszeiten.

Auch landschaftlich lohnt sich ein Besuch der Lettmair Au. Immer entlang der Enns führt der Weg ebenerdig und über Holzstege mitten durch den Wald.

Lettmair Au, Nationalpark Gesäuse
Ruhepause in der Lettmair Au

An mehreren Stellen ragt der Holzsteg aus den Bäumen hinaus und gibt den Blick auf die wunderbare Flusslandschaft frei. Mit etwas Glück kannst du hier Eisvögel, Flussläufer oder Fischotter beobachten. Das bleibt uns jedoch leider verwehrt.

Ennsufer, Nationalpark Gesäuse
Die Enns darf im Gesäuse ihrem natürlichen Flusslauf folgen.

Ein lehrreicher Orchideenspaziergang

Wusstest du, dass es in Österreich heimische Orchideenarten gibt? Wir zugegebenermaßen nicht. Höchste Zeit also, das zu ändern. Mehrmals im Jahr bietet der Nationalpark Gesäuse geführte Touren rund um diese besondere Blumenfamilie an. Je nach persönlichen Vorlieben hast du vom 3,5-stündigen Spaziergang bis zur Ganztageswanderung alle Optionen.

Dactylorhiza fuchsii
Dactylorhiza fuchsii ist einer der kompliziertesten Namen der heutigen Wanderung.

Über 30 Arten von Orchideen beheimatet der Nationalpark Gesäuse. Wir lernen bei unserem heutigen Spaziergang sieben davon kennen. Zu Beginn der Tour haben wir beide keine Ahnung von den Besonderheiten rund um Nestwurz, Knabenkraut und Frauenschuh. Damit sind wir gefühlt die einzigen in der Gruppe. Allerdings gelingt es unserem Guide Peter, uns anschaulich und verständlich zu erklären, was eine Orchidee ausmacht.

Nationalparkranger und Orchideenspezialist Peter
Mit geschultem Auge spürt Peter die Orchideen auf.

Alle Arten eint, dass sie raffinierte Strategien zur Fortpflanzung entwickelt haben. So kommt beispielsweise die Nestwurz völlig ohne Chlorophyll aus und lässt ihre Samen von Pilzen ernähren und aufziehen. Die Ragwurz hingegen imitiert mit ihren Blüten Aussehen und Duft eines Insektenweibchens. Beim aussichtslosen Versuch einer Begattung wird das arglose Insektenmännchen missbraucht, um den Pollen weiterzutragen.

Fliegenragwurz, Nationalpark Gesäuse
Innerhalb der Ragwurzfamilie werden verschiedene Insektenarten vorgetäuscht. Hier die Fliegenragwurz, deren Blüten Fliegenmännchen verwirren.

Besonders ausgeklügelt ist das System des Frauenschuhs, der größten heimischen Orchideenart. Mit Duftstoffen lockt er kleine Bienen zu seiner Blüte, die an einen Schuh erinnert. Durch ein Loch auf der Oberseite fallen die Bienen in den Blütenkessel hinein. Der Großteil der Innenwände ist ölig und glatt, sodass die Bienen nur über einen schmalen, haarigen Pfad an der Rückseite hochklettern können. Dort müssen sie sich durch ein weiteres kleines Loch direkt neben dem Fortpflanzungsapparat nach draußen zwängen. Dabei bestäuben sie zunächst mit dem mitgebrachten Pollen die aktuelle Pflanze. Danach wird der Biene direkt das nächste Pollenpaket auf den Rücken geklebt.

Gelber Frauenschuh, Nationalpark Gesäuse
Der Frauenschuh blüht schon wieder ab. Seine Fortpflanzungsstrategie fasziniert weiterhin.

Neben diesen spannenden Einblicken in die Pflanzenwelt genießen wir während des Spaziergangs außerdem wieder die spektakuläre Landschaft der Gesäuseschlucht. In jedem Fall ein lohnenswerter Ausflug!

Bergblick, Nationalpark Gesäuse
Entlang des Weges tun sich immer wieder tolle Panoramen auf.

Ein Besuch im Stift Admont

Faszinierende Natur ist jedoch nicht das einzige, was das Gesäuse zu bieten hat. Direkt vor den westlichen Toren des Nationalparks liegt das Stift Admont. Seit dem 11. Jahrhundert sind die Benediktiner hier aktiv und haben ihr Leben den Wissenschaften verschrieben. Seit jeher wurde hier viel geforscht und gesammelt mit beeindruckenden Ergebnissen.

Stift Admont, Klostergarten
Idyllisch liegt Stift Admont im Gesäuse

Die größte Klosterbibliothek der Welt

Der Leitspruch der Benediktiner lautet „Ora et labora et lege“ – Bete, arbeite und lies. Die konstante Erweiterung des eigenen Wissens durch Literatur ist ein zentrales Element des Ordens. Kein Wunder also, dass die Mönche und Nonnen des Stifts im Laufe der Zeit rund 200.000 Bücher in ihren Archiven zusammengetragen haben. 70.000 davon werden in der Stiftsbibliothek aufbewahrt. Die beeindruckenden Ausmaße des prunkvollen Saals machen ihn zur weltgrößten Klosterbibliothek.

Klosterbibliothek Stift Admont
Der beeindruckende Hauptraum der Bibliothek

Nicht nur die schiere Menge der Bücher, sondern auch die wunderbare Ausgestaltung des Raumes ist beeindruckend. Meterhoch stapeln sich die Bücher in den Regalen, sortiert nach einem ausgeklügelten System. „Maximal fünf Minuten braucht der Bibliothekar, um ein bestimmtes Buch zu finden“, erklärt unsere Führerin. Die Deckenkuppeln der Bibliothek sind mit prachtvollen Fresken verziert, die noch original aus dem 18. Jahrhundert stammen.

Deckenfresko, Stift Admont
Die Motive der Deckenfresken sind ebenfalls den Künsten und den Wissenschaften gewidmet.

Im Mittelteil der Bibliothek befinden sich die religiösen Schriften. Hier stellen vier unglaublich detailreich geschnitzte Holzstatuen den Weg des Menschen nach dem Tod dar. Ohne die fachkundigen Erklärungen der Führerin hätten wir den Großteil der Anspielungen und Hinweise kaum entdeckt.

Darstellung der Hölle, Klosterbibliothek Admont
Die Darstellung der Hölle ist eine der vier Statuen.

„Wie kommt man eigentlich auf die Galerie“, fragt ein Führungsteilnehmer. „Hier gibt es gar keine Treppen.“ „Doch, die gibt es“, grinst unsere Führerin verschmitzt. „Man muss nur wissen, wo sie sind.“ Dann zeigt sie es uns und wir sind begeistert von den perfekt versteckten Geheimtüren. Wie diese funktionieren, verraten wir an dieser Stelle natürlich nicht, sonst wären sie ja nicht mehr geheim. Diesen Aha-Effekt erlebst du am besten selbst bei einer Bibliotheksführung.

Abwechslungsreiche Museen

Die Klosterbibliothek ist nur ein Teil des gesamten Buchbestands im Stift. In abgedunkelten Nebenräumen lagern hunderte Jahre alte, reich verzierte Handschriften. Drei kurze Filme erzählen mehr über die Geschichte des Klosters und den Ordensstifter Benedikt von Nursia. Die Mönche sammelten jedoch nicht nur Bücher. Der zweite Stock des Stifts beherbergt ein umfangreiches naturhistorisches Museum. Unzählige Tierpräparate aus aller Welt sind hier ausgestellt, darunter alleine über 250.000 Insekten. Aus heutiger Sicht wirkt die Sammlung ziemlich skurril. Damals leisteten die Mönche damit aber einen großen Beitrag zur Erforschung der Tierwelt.

Schmetterlinge im Stift Admont
Eine gewisse Sammelleidenschaft kann man den Mönchen nicht absprechen.

Der gegenüberliegende Gebäudetrakt ist den bildenden Künsten gewidmet. Über mehrere Etagen verteilt sich dort eine Ausstellung historischer und zeitgenössischer Kunst. Insgesamt lohnt sich ein Besuch im Stift aus unserer Sicht auf alle Fälle. Das Eintrittsticket ist eine Tageskarte. Du kannst also zwischendurch hinaus in den Klostergarten oder ins Klostercafé gehen und dir die einzelnen Bereiche des Museums über den Tag verteilen.

Wachsobstsammlung, Stift Admont
Auch eine umfangreiche Sammlung von Wachsobst gibt es im Stift.

Eine Wanderung auf den Spielkogel

Nicht direkt im Nationalpark, allerdings noch zu den Gesäusebergen zählend, liegt der Spielkogel. Über eine schmale Mautstraße (7 Euro) kommst du zu einem Parkplatz, von dem aus du in etwa 30 Minuten zur empfehlenswerten Mödlingerhütte wandern kannst.

Mödlingerhütte, Gesäuse
Idyllisch liegt die Mödlingerhütte vor den Gesäusebergen.

Von hier ist der Weg zum Spielkogel gut ausgeschildert. Auf einer Strecke von rund vier Kilometern legst du etwa 240 Höhenmeter zurück. Stellenweise ist der Weg recht steil und anstrengend. Insgesamt ist die Tour aber auch für ungeübte Wanderer wie uns gut zu machen. Für die gesamte Runde solltest du etwa zweieinhalb Stunden einplanen. Wenn du auf dem Rückweg in der Mödlingerhütte einkehren möchtest, entsprechend länger.

Spielkogel, Gesäuse
Herrliche Aussichten vom Spielkogel

Der Wanderweg ist größtenteils nur ein Trampelpfad und führt durch weitgehend unberührte Natur. Immer wieder lichten sich die Bäume und geben wunderbare Fernsichten auf die umliegenden Berge preis. Steile und flache Stücke wechseln sich ab, sodass wir immer wieder durchatmen können. Oben angekommen, hast du eine fantastische Aussicht auf das Gesäusemassiv.

Blick aufs Gesäusemassiv vom Spielkogel
Das majestätische Gesäusemassiv

Fazit

Ein Wochenende im Gesäuse ist eine absolut empfehlenswerte Kurzreise. Die Landschaft der schroffen Gesäuseberge ist spektakulär und die Natur sehr abwechslungsreich. Uns hat zudem die Idee der Ursprünglichkeit sehr gut gefallen. Gestresste Manager kommen hierher, um sich bei einem Naturfotografiekurs auf das Wesentliche zu fokussieren. Wenn Neumond ist, genießen Sternenbeobachter bei kaum vorhandener Lichtverschmutzung einen atemberaubenden Nachthimmel. Nicht umsonst wirbt das Gesäuse mit nur zwei Worten: Gibt Kraft.


Hinweis: Wir wurden von den Nationalparks Austria und dem Nationalpark Gesäuse zu dieser Reise eingeladen. Vielen Dank an alle Beteiligten! Unsere Meinung ist davon nicht beeinflusst.

Anlässlich des „Europäischen Tags der Parke“ haben wir gemeinsam mit unseren BloggerkollegInnen unter dem Hashtag #NationalparksAustria aus den österreichischen Nationalparks berichtet. Die Blogbeiträge verlinken wir hier:

Reisetipps Gesäuse

Hotel im Gesäuse

Hotel Spirodom, Eichenweg 616, 8911 Admont
Hotel Spirodom auf booking.com *
Gemütliches Hotel in Fußnähe zum Stift Admont. Kostenfreie Parkplätze direkt vorm Haus, gutes Frühstück, gratis WLAN.

Restaurants im Gesäuse

  • Gasthof zur Bachbrücke, Krumau 97, 8911 Admont, www.bachbruecke.at
    Klassische österreichische Gerichte mitten im Nationalpark, gemütlicher Gastgarten.

Transport vor Ort

Wir waren wieder einmal mit dem Mietwagen unterwegs.

Öffentlich kommst du mit der Bahn bis Liezen oder Selzthal. Im Sommer auch nach Kleinreifling. Von dort geht es mit dem Postbus weiter bis Admont oder Hieflau.

Alternativ kannst du dich von den Bahnhöfen oder innerhalb des Gesäuses vom Gesäuse-Sammeltaxi abholen lassen.

Reiseinfos Österreich

Sprache
Deutsch, regional auch Kroatisch, Slowenisch und Ungarisch

Zeitzone
MEZ, UTC+1, Sommerzeit von März bis Oktober. Kein Zeitunterschied zu Deutschland/Schweiz.

Währung
Euro (EUR), 1 EUR = 100 Cent

Roadtrip-Info
Rechtsverkehr. Straßen gut ausgebaut und in gutem Zustand. Vignette für die Autobahn erforderlich. Tempolimit auf Autobahnen 130 km/h, auf Schnellstraßen und Landstraßen 100 km/h. Innerorts 50 km/h.

Strom/Adapter
230 V/50 Hz, kein Adapter notwendig.

Trinkgeld Restaurant
Je nach Zufriedenheit 5-10 %. Das Trinkgeld wird direkt beim Bezahlen zusammen mit dem Rechnungsbetrag als Gesamtsumme beglichen.

Trinkgeld Taxi
Wer zufrieden ist, rundet den Fahrpreis um 5-10 % auf.

Trinkgeld Hotel
1-2 EUR für Reinigungspersonal und Kofferträger pro Tag bzw. Gepäckstück


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